
„Narrenkrone“ von Boris Koch, erschienen am 03. Mai 2021 für 14,99€ im Knaur Verlag, kam Ende des letzten Monats als Rezensionsexemplar in unsere WG und bildet den Abschlussband der düsteren Märchenadaption, die mit Dornenthron begann.
Noch immer suchen die verschiedenen Helden einen Weg an der Hecke vorbei, darunter her und manch einer ist vermeintlich schlau und möchte sich über oder gar durch das magische Todesgestrüpp schlagen.
Dabei lernen sie, dass ihnen allmählich die Zeit unter den Fingern wegbrennt, denn immer mehr Suchende tümmeln sich in Ycena, die Hitze und die Dürre werden von Tag zu Tag schlimmer und der König selbst hört von den Gerüchten, dass das Volk seine letzte Hoffnung in der schlafenden Kaisertochter sieht, und sie alle wissen, dass König Tiban nur einen Weg kennt: Den Weg aus Brutalität und Blutvergießen.
Wie schon beim ersten Teil „Dornenthron“ habe ich auch hier eine Leserunde mit der wundervollen Roman-Tipps abgehalten. Dabei sind nicht nur die alten Schwächen aufgeflackert, sondern auch neue Störfaktoren ans Licht getreten. Letztendlich hat das Buch dennoch viel Spaß gebracht und gerade das Ende hat mich ein wenig versöhnt.
Aber erst einmal von vorne. Erst das Negative, damit wir uns dann auf das Positive konzentrieren können!
Der größte Schwachpunkt meiner Meinung nach war das Tempo. Durch die Leserunde fiel uns auf, wie kurz die jetzigen Abschnitte sind. Roman-Tipps, die beide Bände als Printversion hat, während ich den ersten nur als eBook besitze und im Buchladen mal schauen musste, erwähnte faktisch als allererstes, dass der zweite Band wesentlich kürzer sei.
Nun, da kommen wir wirklich zu dem Hauptthema: Dass der zweite Band kürzer ist, das ist „in Ordnung“. Gerade, da ich bei meinem zweiten Band diese Einsicht hatte, kann ich es verstehen, lieber ein kurzes Buch als ein langgestrecktes. Aber das Tempo in „Narrenkrone“ hat für mich so gar nicht gestimmt. Die Charaktere sind quasi sehr flach geworden und es sind zu viele, die sich nun zufällig gerade jetzt auf den Weg nach Ycena machen.
Wo am Anfang viele noch symapthisch wirkten, waren sie in diesem Teil doch sehr flach gehalten und teils sehr naiv oder nervig. Mein Favorit aus dem ersten Band war Ukalion, hier jedoch hatte er viele Stellen voller naiver Handlungen und wenn nicht das im Vordergrund stand, dann waren es seine Gedanken. Wie gehetzt er sich einbildet, seine tote Geliebte wäre bei ihm und er würde nur in ihrem Namen handeln, während er Reichtümer und eine wunderschöne neue Frau ergattern will, war schon etwas traurig. Ich an der Stelle der Toten hätte mir wohl eher gedacht „Ist in Ordnung, wenn du das machst, aber nutze mich nicht als Ausrede dafür. Die Dürre schlägt alle, wenn du nur Rache willst, kannst du auch das Volk aufhetzen“.
Die kurzen Abschnitte wirken in der ersten Hälfte sehr langgezogen, ohne allzu viel über die Figuren zu verraten. Statt den Fokus auf die Charaktere zu legen, die man bereits kennengelernt hat, bekommt man einfach noch mehr Sichten und Rückblicke, um diese Motivationen zu verstehen.
Dabei hätte auch die Welt ausgearbeiteter sein können. Wie bereits in Teil 1 hat es mich auch hier gestört, wie wenig Natur eingebracht wird. Das fällt halt deswegen so auf, da die wenigen Kreaturen, die erwähnt werden, immer wieder betont erwähnt werden. So haben wir neben den üblichen Tieren und Insekten allen voran Lindwürmer, die überall Erwähnung finden, aber so wirklich zeigen wollen sie sich nicht. Das geht so weit, dass meine Leserundenkollegin und ich uns bereits seit dem ersten Band, allerdings nun besonders, darüber lustig machen. Ja, die Hälfte der Leserunde haben wir sogar darauf gehofft, dass schlussendlich ein Lindwurm neuer Kaiser werden würde. Ähnlich verhält es sich mit den Totenhörnchen, von denen wir gerne einmal eine Zeichnung sehen würden.
Wenn die langgezogene Phase hinter einem liegt, dann kommt man rasch dazu, dass die Ereignisse sich überschlagen. Vermutlich ist es Einbildung, aber damit wirkten die Absätze noch kürzer. Meine Partnerin und ich haben es so gehandhabt, dass wir immer wieder einen Absatz gelesen haben, nur weil diese so kurz waren, war man schnell wieder aus der Szene herausgerissen. Eine Tatsache, die mich beim Alleinlesen garantiert auch gestört hätte (ich kenne mich schließlich). Bücher zu unterteilen, finde ich grandios, das mache ich selber gerne. Aber meiner Meinung nach dürfen diese Abschnitte nicht zu kurz sein.
Auch die „Schwäche“, dass ab und an völlig unpassend eine vulgäre Szene eingebracht wird, hat es auch in Band 2 geschafft. Versteht mich nicht falsch, ich bin mit all diesen Dingen doch sehr offen erzogen worden und bin grundweg die Erste, die einen schmutzigen Witz macht, aber auch nur, wenn die Gesamtsituation es zulässt. Dass hier ab und an eine Szene eingebracht wird, die so gar nicht reinpasst und dann erneut sehr inflationär das Wort „Schwanz“ gebraucht wird, ist dann eher schade und wirkt im Gesamtbild sehr unrund.
Das Positive:
„Narrenkrone“ hat oben viel Kritik von mir bekommen, Spaß hatte ich allerdings dennoch. Boris Koch hat die Märchen auf echt tolle Art ineinander verwoben und noch immer mag ich diese Welt gerne – ich hätte sie mir nur ein wenig mehr angereichert gewünscht, wenn quasi immer nur fünf verschiedene Wesen erwähnt werden.
Ich liebe auch dieses leichte „Game of Thrones“ Gefühl beim Lesen. Viele machen sich auf den Weg, um endlich die Kaisertochter zu küssen, ihr Reich und ihre Reichtümer zu erben und sich auf den Thron zu schwingen. Dabei hat Boris Koch herrlich viele Gründe gefunden, um seine Charaktere wie Spielsteine aufs Brett zu stellen und ihrer Motivation nachzukommen. Dabei wird zwar vor allem das Thema „Rache“ genutzt, aber schlimm finde ich das nicht. Rache ist ein äußerst starkes Gefühl, in das sich Menschen sehr, sehr leicht hineinsteigern und hineinfinden können. Um wirklich über die Hecke zu kommen, bedarf es einer starken Emotion, denn ansonsten würde man wohl in Ycena nicht lange verweilen und noch weniger dem Drang nachgeben wollen, wirklich die Hecke zu besiegen. Liebe und Rache gehen hierbei oft ineinander über, was passend zur Menschheit ist.
Der Schreibstil macht zumeist wieder sehr viel Spaß und lässt sich äußerst flüssig runterlesen.
Mein größtes Lob kann ich allerdings nur andeuten, da ich nicht spoilern möchte, aber: Das Ende hat mich dann doch sehr versöhnt. Genau die richtige Mischung aus Märchen und Fantasyliteratur für Erwachsene. Auch hier geschickt ineinander gewoben und sehr gut die Figuren gesetzt. Ab einem gewissen Teil der Geschichte hatte ich doch sehr viel Spaß und wollte das Buch nicht mehr aus der Hand legen und ja, ich habe befürchtet, dass das Ende nicht dem Buch würdig wird, aber dies war zum Glück ein Irrtum. Bevor Anmerkungen kommen: Wir beim Bambusblatt lieben die letzte GoT Staffel und finden sie auch gut in Szene gesetzt. Dass sie keinem gefällt: ok. Dieser Hass? Wie immer nur unnötig. Wie sollte ein Ende entstehen, bei dem jeder zufrieden ist, wenn so viele tolle Figuren dasselbe wollen, auf Blut und Verderb ausgesetzt?
Mein Fazit
Zwar bietet „Narrenkrone“ die alten „Fehler“ vermischt mit einem in meinen Augen weniger gelungenen Tempo, Spaß hat es dennoch gemacht. Das Tempo hat mich zweifeln lassen, ob eigentlich eine Trilogie vorgesehen war oder ein Einzelband, denn wenn man dieses Langgezogene hinausnimmt, wirkt es wieder ganz anders. Vermutlich irre ich mich damit rigoros und setze mich in die Nesseln, aber welches Gefühl man beim Lesen hat, das kann man eben nicht bewusst bestimmen. Meiner Meinung nach hätte es „Narrenkrone“ gut getan, mit „Dornenthron“ zu fusionieren.
Dass dies nicht geschehen ist, hat mir ein wenig den Lesespaß geraubt.
Der allerdings gerade in den späteren Kapiteln mit aller Macht zurückkam. Leseempfehlung? Trotzdem! Welches Werk ist schon perfekt und ich bin auch nur eine Bloggerin, die ihre Meinung abgibt. Die Welt ist toll und die Figuren sind es auch (wenn sie auch nicht wirklich die großen Sympathieträger sind, aber das muss nicht immer so sein). Die Märchen sind herrlich ineinandergeschlungen und die Geschichte macht riesigen Spaß.
Geschrieben von Judith
Links zu „Narrenkrone“
Verlagsseite des Buches
„Narrenkrone“ bei Thalia*
Eine weitere Rezension zu „Narrenkrone“ findet ihr bei Roman-Tipps.
Unsere Rezension zum Vorgänger „Dornenthron“
[…] Judith von Das Bambusblatt […]
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